Bereits die Jäger der Steinzeit kannten Pflanzengifte und benutzten Pfeilgifte wie das hoch toxische Akonit, das aus dem Eisenhut (aconitum napellus) zubereitet wurde. Die griechische Mythologie ist eine wahre Fundgrube für Anekdoten über bekannte Giftpflanzen. So soll der Eisenhut aus dem Speichel des Höllenhundes Kerberos entstanden sein, als Herakles ihn aus der Unterwelt entführte. Griechische Ärzte waren große Pharmakologen. Hippokrates und Galen setzten auf die Kraft der Pflanzen und setzten verschiedene Giftpflanzen wie Fingerhut, Tollkirsche, Schlafmohn zu therapeutischen Zwecken ein. Bekannt ist allerdings auch der berüchtigte Schierlingsbecher, mit dem in Athen Verurteilte exekutiert wurden. Dieses Schicksal traf auch den Philosophen Sokrates.
Die dunkle Seite der Giftpflanzen war den Römer wohlbekannt, und Pflanzengifte waren ein wirksames Mittel, die Thronfolge zu manipulieren. So schreckte der geisteskranke Caligula nicht davor zurück, mißliebige Senatoren oder auch Gladiatoren und Rennpferde zu vergiften. Sein Onkel Claudius soll den Giftschrank seines Neffen bei Ostia ins Meer geworfen haben, worauf Schwärme von Fischen bauchoben trieben. Der gute Claudius wurde von seiner eigenen Gattin Agrippina, die zugleich auch seine Nichte war, durch ein leckeres Pilzgericht beseitigt. Als Claudius darauf noch nicht sterben wollte, vergiftete ihn der kaiserliche Leibarzt mit einer präparierten Feder, die er ihm in den Schlund steckte, um ihm das Erbrechen zu erleichtern. Claudius Adoptivsohn Nero beseitigte seinen Stiefbruder Britannicus, indem er ihm vorgekosteten Glühwein zu trinken gab. Um das Getränk abzukühlen, ließ er ihm kaltes Wasser in den Wein gießen, und Britannicus starb sofort, denn perfiderweise hatte er das Wasser vergiften lassen.
Auch im europäischen Mittelalter verfügte man über sehr detaillierte Kenntnisse von Giftpflanzen, die in vielen Klostergärten gezielt angepflanzt wurden. Giftpflanzen wurden auch als Bestandteile von Hexensalben verwendet, und sie spielten zugleich eine bedeutende Rolle als Aphrodisiaka und Fetische. Am berühmtesten war die geheimnisvolle Alraune, die angeblich schrie, wenn man sie ausgrub. Diese Knolle war als Liebeszauber begehrt, und Söldner schworen darauf, dass sie unverwundbar machen sollte. Angeblich wuchs die Alraune aus dem Samen gehängter Diebe, und eine unterm Galgen vergrabene Alraune sollte auch Gaunern dienlich sein, die mit einer Alraune bewaffnet bei Diebstählen und Einbrüchen angeblich nicht erwischt werden konnten, wie man glaubte. Kein Wunder, dass diese Wunderpflanze oft imitiert wurde. Die Tollkirsche verdankt ihren wissenschaftlichen Namen Atropa Belladonna dem Brauch italienischer Damen, sich Tollkirschensaft ins Auge träufeln, um dadurch große, tiefe Pupillen zu bekommen. Der Nachteil war, dass sie davon weitsichtig wurden und in der Sonne geblendet wurden, da sich die Pupillen durch Atropin nicht mehr zusammenziehen. Giftpflanzen wie Schierling, Stechapfel, Bilsenkraut oder Tollkirsche dienten auch als Rauschmittel, die Flugfantasien verursachen konnten, weshalb sie in “Hexensalben” verwendet wurden.
Eine ganze Reihe von klassischen Giftpflanzen liefern Alkaloide, die heute noch in der Medizin unentbehrlich sind. Alkaloide aus Giftpflanzen wie Atropin, Skopolamin oder Hyoscyamin wirken krampflösend bei Schmerzen und Spasmen. Dazu finden Atropin und Skopolamin Verwendung in der Augenmedizin. Digitalis, das Alkaloid aus dem Fingerhut wird als Mittel bei Herzkrankheiten eingesetzt. Der Begründer der modernen Pharmakologie war der berühmte Arzt Paracelsus, der den Alchimisten empfahl, Arznei herzustellen, statt nach dem Stein der Weisen zu suchen. Sein Grundsatz “sola dosis facit venemum”, die Dosis macht das Gift ist heute noch gültig.