Gewerkschaften

Die Interessenverbände der Arbeitgeber haben in Europa eine lange und erfolgreiche Tradition und sind aus dem Wirtschaftsleben nicht mehr wegzudenken. Viele moderne Errungenschaften, die man heute als Normal zur Kenntnis nimmt, verdankt die Gesellschaft den Aktivitäten der Gewerkschaften in den letzten hundert Jahren. Die Gewerkschaften haben sich zu einer zentralen gesellschaftspolitischen Gruppe entwickelt, die die Interessen der arbeitenden Bevölkerung repräsentiert. In vielen Ländern der Welt geht ohne die Gewerkschaften nichts mehr, aber mit den Gewerkschaften sehr viel. Nach dem zweiten Weltkrieg haben sich die Gewerkschaften neu formiert. Der Deutsche Gewerkschaftsbund wurde 1949 gegründet. Gerade am deutschen Wirtschaftswunder haben die Gewerkschaften einen großen Anteil. Vor allem in den 1990er Jahren hatten die Gewerkschaften einen starken Mitgliederverlust zu verkraften. Im Jahr 2005 war rund ein Viertel der deutschen Arbeitnehmer in Gewerkschaften organisiert. Die größte deutsche Dachorganisation der Gewerkschaften in Deutschland ist der Deutsche Gewerkschaftsbund. Der Dachverband hat heute acht große Gewerkschaftsmitglieder. Zu diesen gehören zum Beispiel die IG Metall oder die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di. Die IG Metall ist die größte deutsche Einzelgewerkschaft mit rund 2,3 Millionen Mitgliedern. Gefolgt wird die IG Metall von ver.di mit rund 2,1 Millionen Mitgliedern und der IG Bergbau, Chemie und Energie mit rund 700.000 Mitgliedern. Insgesamt hat der Deutsche Gewerkschaftsbund rund 6,3 Millionen Mitglieder, davon rund zwei Millionen Frauen.

Neben dem Deutschen Gewerkschaftsbund gibt es in Deutschland den dbb/Beamtenbund und tarifunion, die Gewerkschaften den öffentlichen Dienstes und des privaten Dienstdienstleistungssektors. Die Dachorganisation hat 39 Fachgewerkschaften und repräsentiert rund 1,3 Millionen Mitglieder. Der christliche Gewerkschaftsbund ist ein Dachverband mit 16 Berufsverbänden und ca. 280.000 Mitgliedern. Der Europäische Gewerkschaftsbund ist die europäische Dachorganisation mit Sitz in Brüssel. Dem Verband gehören 82 nationale Gewerkschaftsverbände an, u.a. der deutsche, österreichische und schweizerische Gewerkschaftsbund. Die größte Interessenvertretung der Arbeitnehmer ist der Internationale Gewerkschaftsbund, der Gewerkschaften aus 154 Ländern repräsentiert. Fast 170 Millionen Mitglieder hat der gewerkschaftliche Dachverband mit Sitz in Brüssel. Alleine an diesen Zahlen sieht man welche gesellschaftspolitische Kraft hinter den Gewerkschaften steht. Es gibt ökonomische Grundziele der deutschen und internationalen Gewerkschaften, zu diesen gehören u.a. die Vollbeschäftigung, die Verteilungsgerechtigkeit und vor allem die Steigerung der Lebensqualität für die Mitglieder. Die Förderung einer ökologischen und sozialen Weltwirtschaft steht ebenfalls im zentralen Fokus der Gewerkschaften.

Die Kardinalsthemen Arbeit und Umwelt spielen eine zentrale Rolle in der modernen Strategieausrichtung der Gewerkschaften. Gerade in der heutigen Zeit, wo viele Länder vor allem mit Billiglöhnen und unverantwortlichen ökologischen Wirtschaftsstrukturen im Weltmarkt sich behaupten wollen, kommen den Gewerkschaften zentrale Funktionen zu. Die deutschen Gewerkschaften setzten vor allem auch auf eine Förderung von Forschung und Innovation, um qualifizierte Arbeitsplätze für die deutsche Wirtschaft zu schaffen. Gewerkschaften, Arbeitgebervertretungen und Regierung liegen heute oft näher beieinander als man denkt. Bei dem Thema Vollbeschäftigung - das man zumindest als Grundsatz weiterführt - setzt man vor allem auf die Wirtschaftsförderung innerhalb des europäische Binnenmarkts. Ein großes Gewerkschaftsthema bleibt die soziale Gerechtigkeit. Tatsächlich kann ohne soziale Gerechtigkeit kein demokratisches Wesen überleben. Eine soziale Tarifpolitik steht hier im Mittelpunkt der Bemühungen. Man spricht in diesem auch Zusammenhang von Verteilungsgerechtigkeit. Unterm Strich kann man die Grundsatzausrichtungen der modernen Gewerkschaften als sozial-ökologische Reformstrategien sehen.

Bei den nötigen Reformen, nicht nur in Deutschland, müssen die Gewerkschaften ihre Strategien und Taktiken in der Tarifpolitik neu überdenken und den modernen volkswirtschaftlichen Anforderungen anpassen. Die Gewerkschaften sind aber nicht “Everybody’s Darling”, sondern legitimierte Interessensvertretungen. Die Gewerkschaften müssen sich in Zukunft auch immer mehr grenzüberschreitend organisieren, um sich gegen die globalen Szenarien zu stemmen. Die Rolle der nationalen und internationalen Gewerkschaften wird in Zukunft immer mehr auf Mitwirkung ausgelegt sein. Die Rolle ist heute schwer zu besetzten, da weder staatliche Überregulation, noch die freie Marktwirtschaft, die Arbeits- und Sozialprobleme nachhaltig gelöst haben. In dem heutigen intellektuellen Systemvakuum müssen sich auch die Gewerkschaften zurechtfinden. Blickt man zurück, so hat man in Europa, insbesondere in Deutschland, in der Nachkriegszeit immer vernünftige Lösungen gefunden, um die soziale Marktwirtschaft voranzubringen.