Anwendbar ist das Kirchenrecht nur auf die Mitglieder einer religiösen oder weltanschaulichen Gemeinschaft, die sich zur Verfolgung gemeinsamer Ziele in einer Organisation zusammengeschlossen haben. Ein solches Recht kann völlig unabhängig von der staatlichen Rechtssetzung existieren. Dabei dürfen die Regeln in derartigen Gemeinschaften nicht gegen die Gesetze der staatlichen Verfassung verstoßen.
Ausschlaggebend für dieses Prinzip der Einhaltung gesetzlicher Vorschriften ist die Trennung von Staat und Kirche, die mittlerweile in den vielen Nationen der Welt praktiziert wird. Im Unterschied dazu wurde beispielsweise in vielen arabischen Nationen ein Kirchenrecht, das im Koran beschriebene Islamische, zu Nationalem erhoben. Dennoch sind auch in der westlichen Welt viele Rechtsgrundsätze ursprünglich auf religiöse Wurzeln zurückzuführen. Religiöse Einrichtungen als Körperschaften des Öffentlichen Rechts sind gesetzlich ebenso wie sämtlich privaten Rechtssubjekte zum Öffentlichen zuzuordnen. Im Unterschied zum Kirchenrecht beschäftigt sich das Staatskirchenrecht mit dem Status der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften und ihrer Einbindung in das `normale´Recht.
Historisch war das Recht der Katholischen Kirche auch hierzulande bis in die Neuzeit die maßgebliche Rechtsgrundlage für das gesellschaftliche Zusammenleben. Erst mit der Herausbildung der säkularen absolutistischen Staaten in Europa im 17. und 18. Jahrhundert setzte die Trennung zwischen staatlicher und religiöser Rechtssprechung ein. Das bis dahin verbindliche scholastische Recht wurde nach und nach durch staatliches Recht ersetzt, das von politischen Zielsetzungen abhängig ist. Dabei konnte allerdings keine Rechtsordnung unter völligem Verzicht auf die Prinzipien des vorher geltenden Rechts etabliert werden. Die Veränderung erfolgte lediglich in Bezug auf die Rechtsquellen. Nicht mehr der Wille einer überirdischen Macht war der Grund für die geltendes Recht, sondern die menschliche Vernunft. Damit wurden die Ziele der staatlichen Gemeinschaft und rationale Gründe zu Rechtsquellen. Neben den unterschiedlichsten Vorschriften sind in unserer Gesellschaft nach wie vor zahlreiche Relikte kirchlichen Ursprungs erhalten geblieben. Dazu gehören etwa der gesetzlich festgeschriebene arbeitsfreie Sonntag sowie die Feiertage, zudem die von religiösen Gemeinschaften betriebenen sozialen Einrichtungen, die staatliche Erhebung der Kirchensteuer oder auch die Anerkennung bestimmter moralischer Grundsätze.
Der Bereich des Kirchenrechts ist heute wissenschaftlich betrachtet eine der Teildisziplinen der Theologie. Unterteilen lässt sich dieses Gebiet in die Kirchliche Rechtsgeschichte, das Kanonische Recht, das Staatskirchenrecht. Dieser Bereich gehört zu den ältesten Disziplinen der gesamten Theologie. Trotz der universellen Geltung des Kirchenrechts ist diese Form der Rechtswissenschaft verschiedenen regionalen und kulturellen Gegebenheit unterworfen. Die hierzulande geläufigsten Formen des Kirchenrechts sind die der römisch-katholischen Kirche und der unterschiedlichen evangelisch-reformatorischen Glaubensrichtungen. Während das erstgenannte kanonische Recht, das im Codex Iuris Canonici festgeschrieben ist, seine Legitimation aus den Offenbarungen ihres Schöpfers beziehen, besitzen letztere eigene positive Rechtssysteme, die in den entsprechenden Kirchenordnungen festgehalten sind. Gegenwärtig sind derartige Gegebenheiten lediglich für diejenigen Personen überhaupt relevant, die in die Kirche als Institution eingebunden und dort auch organisiert sind.