Das Steuerrecht gehört zu den umstrittensten deutschen Rechtsgebieten, was nicht zuletzt an der häufig beklagten Undurchschaubarkeit der Rechtsmaterie liegt. Während in anderen Rechtsgebieten verstärkt Wert auf die Einhaltung des verfassungsrechtlich gebotenen Bestimmtheitsgebot gelegt wird, scheint diese eigentlich verbindliche verfassungsrechtliche Anforderung im Steuerrecht keinen großen Wert zu haben. Das beste Beispiel für diese Entwicklung ist etwa der ehemalige § 2 Ab. 3 des EStG, der erst dann vom BFH in München für ungültig erklärt wurde, als selbst die Richter des obersten deutschen Finanzgerichts und die Steuerverwaltung selber den materiellen Gehalt der Norm nicht mehr erkennen konnten. Anhand dieses Beispiels lässt sich die grundlegende Problematik des Steuerrechts aufzeigen: Wie kann von einem juristischen Laien erwartete werden, das Steuerrecht in seinem vollen Umfang zu begreifen, wenn selbst die höchsten deutschen Finanzrichter mit der Anwendung einer rechtlichen Norm überfordert sind. Dazu kommt der periodische Charakter des Steuerrechts. Während andere deutsche Gesetze seit annähernd 150 Jahren unverändert fortbestehen ändert der Gesetzgeber das Steuerrecht, nicht zuletzt aufgrund häufiger rein politischer Kompromisse, das Steuerrecht jährlich durch das sogenannte Jahressteuergesetz, eine Praxis die in anderen Rechtsmaterien undenkbar wäre.
Diese Umstände machen das Steuerrecht zu einer erheblich beratungsintensiven Materie. Nur die wenigsten Steuerpflichtigen haben die Zeit und Energie sich stets einen Überblick über die rechtlichen und tatsächlichen Änderungen des Steuerrechts zu verschaffen. Dies ist aufgrund des massiven Umfangs des Steuerrechts, welches schließlich nicht allein aus den Gesetzen selber, sondern zahlreichen Durchführungsverordnungen, Leitlinien und Verwaltungsordnungen besteht, ohnehin schon rein zeitlich kaum machbar. Dazu kommt, dass die Besteuerung im Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten wesentlich näher am Leben des Steuerpflichtigen steht. Schließlich erfolgt die Besteuerung in der Regel jährlich, während andere rechtliche Vorgänge, etwa eine Schadensersatzklage, nur sehr selten akut werden.
Darüber hinaus sind auch rein fiskalische Umstände zu beachten. Ein guter und versierte Berater kann durch die Kenntnis der steuerrechtlichen Systematik und aller relevanten Normen durch eine Beratung des Steuerpflichtigen und eine entsprechende Gestaltung des Sachverhalts Steuerzahlungen in erheblichem Maße verhindern. Dies unterscheidet die Tätigkeit des Steuerberaters oder des Fachanwalts erheblich von anderen juristische Beratungsfeldern. Während hier der Berater und Rechtsbeistand in der Regel erst eingeschaltet wird wenn sich in der Lebensrealität der Kunden und Mandaten ein Sachverhalt problematisch entwickelt hat, begleitet der Steuerberater oder Fachanwalt den Steuerpflichtigen von Beginn an durch steueroptimierte Gestaltung des maßgeblichen Sachverhalts. Damit nimmt er eine Position ein, die der Steuerpflichtige für gewöhnlich, trotz gegebenenfalls vorhandener Sachkenntnis, nicht bewältigen kann.
Dazu macht eine weitere Eigenheit des Steuerrechts die stetige Beratung des Steuerpflichtigen unentbehrlich: Das deutsche Steuerverfahren ist grundsätzlich als Massenverfahren angelegt. Im Ergebnis werden die steuerlichen Sachverhalte der steuerpflichtigen Bürger in nahezu anmaßender Kürze durch die Mitarbeiter des Finanzamtes abgearbeitet. Entsprechend drastisch steigt auch die Fehleranfälligkeit der einzelnen Bescheide. Insbesondere durch die immer häufiger werdende moderne Bearbeitung mit EDV kommt es zu Fehlern, die für den Steuerpflichtigen erhebliche finanzielle Einbuße bedeuten können. Allerdings wird dieser Fehler aufgrund seiner mangelnden Sachkenntnis in der Regel kaum erkennen und selbst falls dem so sein sollte fehlt ihm das entsprechende Know-How um die Steuerbescheide vor dem Finanzamt und gegebenenfalls vor den Finanzgerichten im Wege eines Widerspruchs- oder Anfechtungsverfahren anzugreifen.